Verfasst von Albert Oppong-Ansah und Andrea Reiter

Für den 19-jährigen Nathaniel Apronti, der davon träumt, eines Tages Lehrer zu werden, führt der Weg zu seinem Ziel über zwei Räder – angetrieben mit Strom statt Benzin. Nachdem er verschiedene Möglichkeiten abgewogen hatte, darunter auch eine Stelle als Verkäufer, entschied er sich für einen Job als E-Bike-Fahrer bei Wahu Mobility.

Wahu Mobility ist ein ghanaisches Start-up-Unternehmen, das zu 100% in Ghana verwurzelt ist und bis 2030 den Einsatz von rund 117’000 E-Bikes im ganzen Land anstrebt. Das E-Bike-Geschäft zielt darauf ab, neue grüne und nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen und gleichzeitig den Bedürfnissen der schnell wachsenden Gig-Economy gerecht zu werden – einem Sektor, der in Ghana aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit und des Wachstums digitaler Plattformen für Fahr- und Lieferdienste grosses Potential hat.

Wahu verspricht ein E-Bike, das nicht nur das Transportieren und Ausliefern erleichtert und energieeffizient ist, sondern gleichzeitig lokale Unternehmen unterstützt. Das Fahrrad richtet sich in erster Linie an unabhängige Gig-Worker und Lieferdienste und hilft dabei, die Zahl benzinbetriebener Zweiräder auf Ghanas Strassen zu reduzieren. Auf diese Weise trägt das Geschäftsmodell zur Senkung der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors bei – Ghanas grösstem Emittenten – und verbessert langfristig die Luftqualität im ganzen Land.

Mit seiner Entscheidung, sich der Wahu-Bewegung anzuschliessen, verdient Nathaniel nun ein regelmässiges Einkommen mit Lebensmittellieferungen für Unternehmen wie Yango und Bolt. "Die finanziellen Mittel meiner Eltern reichen nicht aus, um meinen Traum zu verwirklichen", erklärt er. "Daher ist das Fahren eines E-Bikes für mich zu einer Lebensader geworden. Nach Abzug der täglichen Gebühr an Wahu, verdiene durchschnittlich 170 GHS pro Tag. Einen Teil davon lege ich für meine eigene Ausbildung zurück, mit dem Rest unterstütze ich meinem Bruder, der noch zur Schule geht."

Levi Ari Solomon Waterfalls, stolzer Wahu-E-Bike-Fahrer

Die Vision von Wahu

Um ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das eine erfolgreich umsetzbar ist und breite Akzeptanz erfährt, hat Wahu grosse Anstrengungen unternommen. Nathaniel schätzt vor allem die massgeschneiderten Verkehrssicherheitstrainings, die Wahu für seine Fahrerinnen und Fahrer anbietet. Helm und zusätzliche Schutzausrüstung geben ihm nicht nur das Selbstvertrauen, sich sicher auf Accras Strassen zu bewegen, um seiner täglichen Arbeit nachzugehen und seine Träume zu verwirklichen, sondern sorgen auch dafür, dass er jeden Tag gesund zu seiner Familie zurückkehrt – während er gleichzeitig seinem Traum vom Lehrerberuf einen Schritt näherkommt.

"Wir haben realisiert, dass die Mobilität von heute nicht nachhaltig ist und es in diesem Land eine Menge junger Menschen gibt, die bereit sind für eine neue Art der Fortbewegung."

Valerie Labi, Gründerin und CEO von Wahu Mobility

Die E-Bikes selbst sind speziell auf die Bedürfnisse des ghanaischen Marktes zugeschnitten und haben sich in einer Pilotflotte bewährt. Teil des Konzepts sind lokal hergestellte, leicht zu handhabende E-Bikes mit Mittelmotor, mechanischer Schaltung und hydraulischer Federung. Unterstützt wird die Hardware durch moderne Software, die das Fahren noch einfacher macht. Die Akkus lassen sich bequem zu Hause an einer normalen Steckdose aufladen.

Nathaniel betont, dass das Aufladen seines E-Bikes nur rund 50 GHS pro Woche kostet – deutlich weniger für die Nutzung eines Motorrads mit Verbrennungsmotor ausgegeben werden müsste. Ausgestattet mit einem Ersatzakku kann er seine Lieferungen effizient erledigen. "Ich habe einen 18-monatigen Mietkaufvertrag abgeschlossen", erklärt Nathaniel stolz. "Wenn der ausläuft, gehört das Fahrrad mir. Dann kann ich es entweder vermieten, um ein Einkommen zu erzielen, oder es selbst nutzen, wenn ich mit der Ausbildung beginne."

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

Die Wahu-Bewegung kann eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Ghana spielen. Laut dem ghanaischen Statistikamt liegt die Jugendarbeitslosigkeit zurzeit konstant über dem nationalen Durchschnitt. Im Jahr 2024 lag die Arbeitslosenquote bei den 15- bis 24-Jährigen bei etwa 32 Prozent und bei den 15- bis 35-Jährigen bei 22,5 Prozent.

Mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze will Wahu einen spürbaren Unterschied machen – sowohl für ungelernte als auch für qualifizierte Arbeitskräfte. Es will dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu senken und die Lebensbedingungen vieler Menschen zu verbessern. Durch das Wachstum innerhalb der aufstrebenden Gig-Economy Ghanas könnte Wahu die Arbeitswelt nachhaltig prägen. Ein Teil der Stellen ist hochspezialisiert und reicht von der E-Bike-Fertigung und Endmontage über Softwarekonfiguration, Batterietests und Logistik bis hin zu E-Commerce-Management und Maschinenbau.

Valerie Labi, Gründerin und CEO von Wahu Mobility, zusammen mit ihrem Team neben der Schweizer Botschafterin in Ghana, Simone Giger (in Weiss).

Stärkung von Frauen in der Gig-Economy

Die Fahrerin Georgina Darling schloss sich Wahu Mobility an, nachdem eine Kollegin ihr erzählt hatte, wie sehr die Arbeit im Unternehmen geholfen hatte, ihre finanziellen Schwierigkeiten zu bewältigen. "Mein Einkommen ist höher als in meinem vorherigen Job", merkt Georgina an. Sie arbeitet acht Stunden täglich und verdient nach den gesetzlichen Abzügen etwa 250 GHS pro Tag. "Mein Gehalt deckt all meine Bedürfnisse und hilft zudem, die Ausbildung meines Bruders zu finanzieren, um meine alleinerziehende Mutter zu entlasten."

Wahu-E-Bikes eröffnen besonders Frauen neue Möglichkeiten. Sie benötigen keinen Führerschein, was den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert – insbesondere für junge Frauen und Studentinnen. Das einfache, benutzerfreundliche Design, die Tretunterstützung und die Gashebelfunktion machen das Fahren nicht nur sicherer, sondern auch deutlich weniger anstrengend als auf einem herkömmlichen Motorrad, das oft schwerer und sperriger daherkommt.

Um Frauen zur Teilnahme zu ermutigen, kümmert sich Wahu aktiv um Partnerschaften mit NGOs, zivilgesellschaftlichen Organisationen und die Teilnahme an Regierungsprogrammen, die sich auf die Stärkung von Frauen und berufliche Bildung konzentrieren. Durch diese Kooperationen möchte Wahu seine Reichweite vergrössern, Schulungsmöglichkeiten anbieten und Finanzierungslösungen entwickeln, die speziell auf Fahrerinnen zugeschnitten sind.

Intern setzt sich Wahu für die Gleichstellung der Geschlechter in seiner Belegschaft ein. Derzeit sind etwa 46 % der Mitarbeitenden Frauen. Das Unternehmen möchte Ausgewogenheit sicherstellen und damit zur Stärkung von Frauen in Bereichen wie Fertigung, Technik, Logistik und Management beitragen.

Zwei Wahu-E-Bike-Fahrerinnen kurz vor Arbeitsbeginn

Eine Revolution für sauberen Verkehr

Nathaniel und Georgina gehören zu den ersten Tausenden von Jugendlichen, die sich dem Plan von Wahu angeschlossen haben, in den kommenden fünf Jahren rund 117’000 E-Bikes auf Ghanas Strassen zu bringen.

Um seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen, erhält Wahu Mobility finanzielle Unterstützung durch einen internationalen Kohlenstoffmarktmechanismus. Durch die Einführung von E-Bikes in Ghana, die die Verwendung von Motorrädern mit Verbrennungsmotor ersetzen werden, wird das Projekt zu einer messbaren, jährlich kontrollierten Reduzierung von Treibhausgasemissionen führen. Wahu Mobility gehört zu zwölf Projekten in Ghana, die hauptsächlich von der Stiftung KliK im Rahmen des bilateralen Klimaschutzabkommens zwischen Ghana und der Schweiz durchgeführt werden. Ihr Wert wird auf bis zu 1,0 Milliarden US-Dollar geschätzt – inklusive der zu erwartenden direkten Investitionen, die durch die Umsetzung der Projekte ausgelöst werden, sowie der zu erwartenden Kohlenstoffentgelte der Stiftung KliK.

"Die Einführung von E-Bikes ist ein Gamechanger."

Daniel Essel, Direktor Transportministerium Ghana

Durch den Verkauf der verifizierten Emissionszertifikate an die Stiftung KliK kann Wahu Mobility die für seine Expansion erforderlichen Finanzmittel sichern. Der Emissionszertifikate-Deal mit der Stiftung KliK ist das zweite autorisierte globale E-Mobilitäts-Vorhaben im Rahmen des Artikel-6-Kohlenstoffmarktmechanismus des Pariser Übereinkommens und das erste in Afrika.

Sicherheit, Innovation und Chancen

Valerie Labi, Gründerin und Geschäftsführerin von Wahu Mobility, weist darauf hin, dass die E-Bikes direkt im Werk in Accra hergestellt werden. Jedes E-Bike ist mit verbesserten Sicherheitskomponenten ausgestattet –Spiegel, Bremslichtern, laute Hupen und Federungssystemen sorgen dafür, dass die Fahrerinnen und Fahrer sicher unterwegs sind. Wartung und Reparatur sind dank zahlreicher Partnerfilialen im ganzen Land problemlos möglich. Neben der obligatorischen Einführungsschulung, die Nathaniel lobte, bietet Wahu regelmässige Auffrischungskurse und Sicherheitshinweise direkt in der App an.

"Unsichere Fahrweisen wie überhöhte Geschwindigkeit oder starkes Bremsen werden durch Echtzeit-Tracking erkannt und über eines digitalen Sicherheitsbewertungs- und Feedback-Systems adressiert", erklärt Valerie. Darüber hinaus integriert Wahu eine Unfall- und Krankenversicherung in sein Abonnementmodell – eine Seltenheit in der Gig-Economy. Durch das Leasing-Modell mit Kaufoption können die Fahrerinnen und Fahrer ihre E-Bikes schliesslich erwerben, was ihnen den Weg zu Vermögensbildung und finanzieller Unabhängigkeit eröffnet.

Emissionen senken, eine nachhaltige Zukunft schaffen

Für Desmond Appiah, Landesleiter des Clean Air Fund – einer globalen philanthropischen Organisation, die mit Regierungen, Geldgeberinnen, Unternehmen und Aktivisten zusammenarbeitet, um eine Zukunft mit sauberer Luft für alle zu schaffen – stehen E-Bikes den Fortschritt, für sauberere Städte und gesündere Gemeinden. Er betont, dass Luftverschmutzung in Ghana nach wie vor eine der tödlichsten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit darstellt. Im Jahr 2023 forderte sie über 32’000 Menschenleben, fast 14 Prozent aller Todesfälle im Land, und gilt damit als grösste gesundheitliche Gefahr des Landes (laut dem Bericht "State of Global Air 2025").

"Wenn die Luftverschmutzung so viele Menschen tötet, müssen wir handeln. Initiativen wie die von Wahu werden einen echten Unterschied machen", sagt Herr Appiah. Er fordert die Regierung auf, mutige Massnahmen zu ergreifen und bei der Planung der Strasseninfrastruktur sichere E-Bike-Spuren und Gehwege vorzusehen. Er empfiehlt darüber hinaus, dass lokale Behörden die Führung übernehmen und eng mit Projekten wie Wahu Mobility zusammenarbeiten, um Zweitaktmotoren aus dem Verkehr zu ziehen und spezielle E-Zonen zu schaffen, in denen dieses nachhaltigen Mobilitätsmodell gedeihen kann.

Ghanas elektrische Zukunft vorantreiben

Daniel Essel, Direktor im Verkehrsministerium, bezeichnete die Einführung von E-Bikes als „bahnbrechend“. „Die meisten herkömmlichen Motorräder nutzen Zweitaktmotoren, die schädliche Gase ausstossen, da sie keine Katalysatoren haben“, erklärt er. „E-Bikes unterstützen direkt die nationale Politik Ghanas für Elektrofahrzeuge und den nationalen Energiewendeplan (2022–2070).“ Dabei liege der Fokus auf Sicherheit, Fairness, Prinzipien Kreislaufwirtschaft, Batterierecycling und Inklusivität.

Das Wahu-E-Bike-Projekt wird in Einklang mit Artikel 6 des Pariser Übereinkommens der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), Ghanas national festgelegtem Klimabeitrag (NDC) und dem bilateralen Klimaschutzabkommen zwischen Ghana und der Schweiz umgesetzt. Die Emissionsreduktionen der Initiative stehen auf Ghanas Whitelist für Kohlenstoffmärkte. Das bedeutet, dass der Verkauf von ITMOs (Internationally Transferred Mitigation Outcomes) zwar die grossflächige Einführung von E-Bikes in Ghana ermöglicht, die Emissionsreduktionen bis 2030 jedoch dem NDC der Schweiz angerechnet werden. Die langfristige Klimaschutzwirkung kommt letztendlich aber Ghana zugute.

In den belebten Strassen Accras wie in kleineren Städten des Landes Summen die Elektrofahrräder heute nicht nur viel leiser als Motorräder – ihre Mobilität steht für Klimaschutz, Innovation und Empowerment. Für junge Menschen wie Nathaniel und Georgina sind diese E-Bikes weit mehr als Transportmittel: Sie sind der Schlüssel zu Unabhängigkeit, sauberer Luft und einer nachhaltigen Zukunft.