Es waren einmal die Kohleöfen
Drei davon zieren heute noch das Wappen der Gemeinde Couvet: getöpferte Heizgefässe, aus denen Flammen züngeln. Diese Covets (!) genannten Töpfe wurden bereits im Mittelalter von den früher zahlreich im Val-de-Travers ansässigen Töpfern gefertigt. Die als Raumheizung verwendeten Gefässe gehörten zu den Spezialitäten der Region.
Lichtjahre vom Ursprung entfernt: Der Holzwärmeverbund
Jahrhunderte später und technischer Sicht Lichtjahre davon entfernt, sorgt seit 2014 der Holzwärmeverbund von Couvet für eine flächendeckende Wärmeversorgung. Langfristig sollen sämtliche örtlichen Gebäude ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Ziel ist es, in naher Zukunft die fossilen Energieträger zu ersetzen, die den Markt seit jeher unter sich aufteilen: Heizöl 44 % und Erdgas 47 %. Diese stossen nämlich grosse Mengen an CO₂ aus und schaden der atemberaubenden Naturlandschaft rund um das Val-de-Travers.
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Séverine Scalia Giraud, Direktorin von Masai Conseils SA, vor der Karte von Couvet, einem Dorf mit fast 3'000 Einwohnern.
Nachhaltig und leistungsstark
Neben seiner Nachhaltigkeit ist das Projekt auch in Bezug auf seine Leistungen äusserst überzeugend. Die flaue Reaktion auf die im Jahr 2009 erstellte Machbarkeitsstudie gehört längst der Vergangenheit an. Bis heute steigt der Erfolg des Wärmeverbunds exponentiell an. Die Akteure sind sich alle einig: «Seit zwei Jahren wird der Verbund viel rascher ausgebaut als ursprünglich geplant.»
Das kleine Projektleitungsteam des Ingenieurbüros Masai Conseils SA in Cernier lobt dessen Vorbildcharakter auf allen Ebenen. Bauingenieurin Séverine Scalia Giraud – mit Spezialgebiet Geotechnik – ist als Projektleiterin für das Projekt zuständig und betont jeweils gern, dass für sie eine eiserne Regel gilt:
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Das Heizhaus des CAD, das in einer ehemaligen Absinth-Destillerie untergebracht ist.
«Nur weil man erneuerbare Energien einsetzt, heisst das nicht, dass man sie nicht so sparsam und effizient wie möglich nutzen soll.»
Verschiedenartige Verwendung von waldfrischem Holz
Der ganze Betrieb des Wärmeverbundes führt auf den Rohstoff Holz zurück, der die Grundlage für die Kreislaufwirtschaft in Couvet bildet. Die Gemeinde Val-de-Travers, die 2008 aus dem Zusammenschluss von neun Ortschaften – darunter Couvet – entstand, verfügt über 6000 Hektar Wald, wovon die Hälfte in ihrem Besitz ist. Die wichtigste – und erneuerbare! – Energiequelle für den Wärmeverbund stammt ausschliesslich aus den umliegenden Wäldern, in denen das Holz vor Ort verarbeitet wird, bevor es unweit des Heizwerks im Dorfzentrum eingelagert wird.
In Couvet ist das Forstamt der Gemeinde für die Holzbelieferung zuständig. Das bereitgestellte Holz, in der Fachsprache auch «Biomasse» genannt, besteht aus waldfrischen Holzhackschnitzeln mit uneinheitlicher Stückgrösse. Diese weisen einen wesentlich höheren Wassergehalt vor, als dies bei Pellets der Fall wäre. Dennoch erfolgt die Verbrennung ohne Leistungseinbussen: Das in den Schnitzeln enthaltene Wasser verdampft in der Brennkammer der Kessel und wird über einen Kondensator zurückgewonnen, dies zur Herstellung von Warmwasser für den Wärmeverbund.
Ein Duft kommt selten allein
Ein paar historische Fakten am Rande: Couvet ist die Wiege des Absinths, der so genannten «Grünen Fee». Das hundertjährige Verbot der betörenden Spirituose führte zur Schliessung (oder zum heimlichen Betrieb) der allermeisten Destillerien. Einige bestehen im Dorf nach wie vor.
Ein Stück Nostalgie bringt auch die Umgebung der Heizzentrale des Wärmeverbundes. Sie befindet sich nämlich in den antiken Räumlichkeiten einer ehemaligen Absinthbrennerei: Anstelle von Anis riecht es im Innern nach Holz. Das alte Gebäude diente früher als Depot für die Verkehrsbetriebe und wäre fast zerfallen. Dank der neuen Nutzung als Einstellhalle für die Heizzentrale, bleibt das Gebäude bestehen. Heute versorgt es sich sogar mithilfe einer Photovoltaikanlage auf dem Dach selbst.
Laufende Erweiterung auf 7,3 km
Das Fernwärmenetz soll langfristig insgesamt 7,3 km umfassen. Im Jahr 2020 waren bereits 30 Gebäude angeschlossen, darunter hauptsächlich Liegenschaften der Gemeinde: die Stadtverwaltung, das Krankenhaus, das Sportzentrum mit Hallenbad, eine Schule und mehrere Grossbetriebe. Ende dieses Jahres, betrug der Wärmeverbund 4,3 km und das Netz wurde um 38 weitere Anschlüsse auf insgesamt 68 Bezüger und Bezügerinnen erweitert. Dies mit einer Leistung von 3600 kW.
Strickmaschinenfabrik als zweite Heizzentrale
Heute überquert das Wärmenetz sogar die Areuse, den Hauptfluss. Südlich davon befindet sich ein grosses Industriegebiet, das die Gemeinde wirtschaftlich neu erschliessen möchte: das Gelände von «La Dubied», einer ehemaligen Strickmaschinenfabrik, deren Tore 1987 geschlossen wurden. Dort könnte eine zusätzliche Heizzentrale für den Wärmeverbund errichtet werden, was im Hinblick auf die ehrgeizigen Ziele ohnehin erforderlich wird und die Attraktivität des Gebiets steigern dürfte.
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Das Fernwärmenetz soll am Schluss eine Leitung von 7,3 km umfassen.
«Projekte wie dieses kann ich nur aus tiefstem Herzen unterstützen! Aus ethischer Sicht, weil dafür Holz aus der nächsten Umgebung verwendet wird. Aus verwaltungstechnischer Sicht, weil es sehr gut planbar ist. Und aus finanzieller Sicht, weil die Energie zum Selbstkostenpreis verkauft wird.»
Finanzierungsmodell deckt Kosten
Der schrittweise Ausbau des Fernwärmenetzes nach Zone, sorgt für die nötige Dichte an Wärmebedarf in jeder Zone und stellt einen stabilen Netto-Energiepreis von 13,5 Rp. pro kWh sicher. Dieser Tarif ist im Vergleich zu anderen, auch nachhaltigen Wärmequellen, durchaus konkurrenzfähig. Dies führt darauf zurück, dass der Wärmeverbund der Gemeinde Val-de-Travers gehört und kostendeckend geführt wird. Denn der Ausbau des Verbunds erfordert zusätzliche Investitionen (nach dem im Jahr 2020 bewilligten Kredit von 13,9 Mio. Franken), doch er gewährleistet zugleich die finanzielle Absicherung des Betriebs.
Die Ausgaben tragen allein die Kunden, und ihnen werden nur die Kosten von Amortisation, Betrieb und Instandhaltung der Anlage in Rechnung gestellt. Je mehr Gebäude angeschlossen werden und je geringer die Entfernung zur Heizzentrale ist, desto niedriger fallen die Kosten aus.